
Pont-Rémy – Zwei Jahrtausende Geschichte
Pont-Rémy hat alles, um Geschichtsliebhaber zu begeistern: gallische Überreste, die 1994 im Rahmen archäologischer Ausgrabungen vor dem Bau der Autobahn A16 entdeckt wurden, Spuren von Cäsars letzten gallischen Krieg sowie ein Schloss mit ruhmreicher Vergangenheit, das nicht nur berühmte Persönlichkeiten beherbergte, sondern auch zahlreichen englischen Invasionen standhielt – was ihm den Beinamen „Wachhund des Ponthieu“ einbrachte. Pont-Rémy ist aber zugleich ein Dorf zum Wohlfühlen und dessen Ufer zum Verweilen einladen.




Annie Roucoux, eine Bürgermeisterin, die für ihr Dorf brennt
Dank Hugo Peyramaure, dem Produktionsleiter des für Juli geplanten Sound-and-Light-Spektakels in Pont-Rémy, hatte ich das Vergnügen, Annie Roucoux kennenzulernen, die das Amt der Bürgermeisterin seit 36 Jahren innehat. Während unseres Gesprächs erzählte sie mir mit spürbarer Leidenschaft die Geschichte des Dorfes, in das sie sich einst verliebte – zur selben Zeit, als sie auch ihrem späteren Ehemann ihr Herz schenkte. Mit ruhiger Stimme, bedächtigem Sprechtempo und wohlüberlegten Worten spricht die ehemalige Lehrerin mit Stolz, einer Prise Nostalgie und viel Kampfgeist von den Jahren, in denen sie ihr Dorf neues Leben einhauchen wollte, eine Gemeinde, in der die Maschinen der Textilfabriken Vaysson, Liénard, Linière und Saint-Frères längst verstummt waren, lange bevor 1988 die Kalkverarbeitungswerk Linet geschlossen wurde und ein Jahr später auch das Aushängeschild der französischen Fahrradindustrie, der Schaltwerkshersteller Huret, seine Tore schloss – und ein sterbendes Dorf zurückließ.
Ein Schloss aus der Asche auferstanden
Annie Roucoux spricht über ihre Bemühungen, ihrer Gemeinde neuen Schwung zu verleihen, konkret wie auch symbolisch gekrönt durch den Rückkauf der Überreste des Schlosses, das 2012 durch ein Feuer verwüstet wurde. Nachdem es die Region so tapfer verteidigt hatte, brauchte nun auch der „Wachhund des Ponthieu“ selbst Schutz. Für Annie Roucoux, die das Kulturerbe der Gemeinde leidenschaftlich liebt, ist das Schloss die Seele des Dorfes, die es zu retten gilt. Die vom französischen Fernsehmoderator und Denkmalpfleger Stéphane Bern initiierte Denkmal-Lotterie stellte die erste finanzielle Unterstützung bereit, die den Startschuss für fünf Bauphasen zur Sicherung, Stabilisierung und Umstrukturierung der Anlage markierte. Weitere Finanzierungen folgten. Heute ist die Phase der Umstrukturierung erreicht: Der Park soll bald der Öffentlichkeit zum Flanieren, für Konzerte oder, wie in diesem Jahr, für eine spektakuläre Ton- und Lichtshow zugänglich gemacht werden.
Scheinwerfer auf 2000 Jahre Geschichte
„Komm, ich nehme dich mit… unter die Sterne von Pont-Rémy“, so lautet der Titel der Ton- und Lichtshow, die am 25. und 26. Juli 2025 vor ausverkauftem Haus aufgeführt wurde. Ein großer Erfolg für den Initiator den Verein „Château de Pont-Rémy“ und seine Präsidentin Annie Roucoux. Besonders stolz war sie auf die Eröffnung: Der Einführungstext wurde von Stéphane Bern höchstpersönlich gelesen. Das Spektakel basierte auf dem Werk De Ponte Remigii à Pont-Rémy von Jean-Pierre Roucoux, Annies verstorbenem Ehemann, einem leidenschaftlichen Liebhaber der Lokalgeschichte, der 2023 verstarb. In siebzehn Szenen wurde die rund 2000-jährige Geschichte des Ortes erzählt: Von der gallischen Zeit bis zur Befreiung durch kanadische Truppen am 3. September 1944. Eine berührende Hommage an Jean-Pierre Roucoux.
Ein Jahr intensiver Arbeit und Einsatz zahlreicher Freiwilliger und Fachleute ermöglichte die Inszenierung eines Schauspiels, das die Zuschauer in ein poetisches Fresko eintauchen ließ, eine Erzählung, die große Geschichte mit der lokalen Historie verwebt: vom Durchzug Heinrichs IV. auf dem Weg nach Abbeville über das Missgeschick des berühmten Kardinals Richelieu, der beim Suchen nach den Schlosslatrinen beinahe bei der Explosion eines Pulverlagers ums Leben gekommen wäre, bis hin zur Textilindustrie, die das Dorf geprägt hat, oder der Figur des Rémy ch'Satcheux, als Hommage an die Treidler, die früher die Lastkähne zogen, mit denen die umliegenden Städte versorgt wurden.
Für die Umsetzung dieses Freskos wurden 250 Statisten mobilisiert, dazu zahlreiche Mitwirkende hinter den Kulissen: Kostümbildnerinnen, eine Choreografin, Techniker für das Mapping und den Ton, alles für eine Inszenierung, die mit einem prächtigen Feuerwerk gekrönt wurde, zu Ehren jener mittelalterlichen Festung, die im 19. Jahrhundert zu einem Schloss im Troubadourstil umgebaut wurde, nachdem sie – wie man hier sagt – als treuer Wachhund des Ponthieu die Region lange Zeit verteidigt hatte, bis zum Verrats eines Knechts. Im Jahr 1346 war es Gobin Agache, so hieß er, der den englischen König Eduard III. und seine Truppen – bei Pont-Rémy zunächst zurückgeschlagen – zum Furt von Blanquetaque führte. Von dort aus setzten sie nach zwei Tagen heftiger Kämpfe ihren Marsch nach Crécy fort, wo die berühmte Schlacht stattfand, die mit dem Sieg des englischen Königs endete und den Beginn des Hundertjährigen Krieges markierte.
Die Kirche von Pont-Rémy, am Schnittpunkt der Jahrhunderte
Annie Roucoux ist stolz auf ihr Dorf und lässt es sich nicht nehmen, mich auch einzuladen, die Kirche zu besichtigen, die zwischen 1867 und 1871 erbaut wurde. Sie ersetzte die frühere Kirche, die inzwischen zu baufällig geworden war, übernahm aber deren Glasfenster aus dem 16. Jahrhundert, zu denen 1950 moderne Fenster hinzukamen. De conception néogothique, l’église se distingue aussi par des piliers en fonte qui remplacent les piliers traditionnels en pierre. Im neugotischen Stil konzipiert, besticht die Kirche zudem durch Pfeiler aus Gusseisen, die anstelle der traditionellen Steinpfeiler treten. So entsteht ein außergewöhnliches Zusammenspiel von Epochen und Stilen
Natur und Lebensfreude
Doch über seinen historischen Charme hinaus lädt Pont-Rémy zum Flanieren auf dem Treidelpfad ein, einem Weg, auf dem man Angler, Spaziergänger, Jogger und Radfahrer trifft, gesäumt von Häusern und Weiden, wo alles Ruhe ausstrahlt und zur Entspannung einlädt. Kurzum: ein Ort, an dem man die Zeit vergisst, ideal, um die sanfte Kunst des Lebens zu genießen.















































