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PIPPA DARBYSHIRE

Seit über zwei Jahrzehnten folgt die schottische Malerin Pippa Darbyshire dem Wechselspiel von Licht und Nebel über der Baie de Somme. Begegnung mit einer Künstlerin, bewegt von der Suche nach dem Nothingness, jenem fruchtbaren Verblassen, aus dem das Licht hervorbricht.

Pippa Darbyshire – eine flüchtige Welt

L’Atelier en Baie war der Titel der Ausstellung, die vom Frühling bis zum Sommer 2025 im Kulturzentrum der Abtei von Saint-Riquier gezeigt wurde; dort entdeckte ich Pippa Darbyshires Werke und betrat eine Welt aus Wasser, Luft und Sand, in der sich der Horizont manchmal auflöst, eine Welt, die von den Nebeln der Somme-Bucht erfüllt ist, wo sich Grau-, Blau- und Brauntöne vermischen – flüchtig, manchmal von flüssigem Licht durchhaucht oder von einer Sonne gestreift, die sich hinter einem zarten Schleier verbirgt. Vielleicht, überlegt sie später im Gespräch mit einem schelmischen Lächeln, seien das Lichtblitze der Hoffnung, ein Licht, das aus dem Schwinden von Farbe und Materie entsteht.

 

In Saint-Riquier führten mich Pippa Darbyshires Gemälde unter diffuse Himmel, die sich in Wasserflächen kräuseln, entlang eines Zauns, durch eine verschneite Straße oder unter ein Geflecht von Kiefern. Überall wurde das Ausgelassene, das Nicht-Gemalte zum Erzähler. Anfang Oktober hatte ich das Glück, sie in der alten Schule von Ponthoile zu treffen, zur Eröffnung der Ausstellung Plein Air. Dort beherrschten die Wolken die Szene: eine von ihnen wie ein majestätischer Greifvogel, die Schwingen weit ausgebreitet, als wolle sie sich jeden Moment in die Fluten stürzen; eine andere, eine Art Zyklopenwolke, etwas schmutzig, zugleich massiv und leicht; und dann noch dieses flockige Band, durchzogen vom Hauch eines Lichtstrahls.

 

An diesem Tag lernten wir uns kennen – und verabredeten uns zu einem Besuch in ihrem Atelier in Noyelles-sur-Mer.

Zuhause bei Pippa

Pulco, der Hund von Pippa und ihrem Mann Peter, schlägt an: Er warnt seine Herrin vor der Anwesenheit einer Fremden. Pippa erscheint, beugt sich hinunter, nimmt ihn auf den Arm und öffnet mir die verglaste Tür, um mich hereinzulassen. In einem schwarzen Trainingsanzug, barfuß – sie hat gerade eine Yogastunde beendet, wie sie mir erklärt –, mit hübschem grauem Haar, ordentlich zu einem Bob geschnitten, und einer eckigen schwarzen Brille, die ihre feinen Gesichtszüge betont und unterstreicht, hat Pippa etwas von einem jungen Mädchen, schlank und anmutig.

 

Sie bittet mich, in der Küche Platz zu nehmen, und bietet mir einen Kaffee an. Draußen, entfaltet sich, wie einer Illustration entsprungen, ein Zier- und zugleich Nutzgarten, Peters Werk: ordentlich angelegte Gemüsebeete und Obstbäume, von denen einer – 2025 ist ein Obstjahr – so schwer mit roten Äpfeln beladen ist, dass ein Teil seiner reichen Ernte auf eine Plane fällt, die sorgfältig den Stamm umhüllt. Zur Rechten erstreckt sich eine Weide, auf der träge Blonde-d’Aquitaine-Kühe stehen, von der Oktobersonne eingelullt.

Von der Eingebung zur Hingabe

Die Baie de Somme ist für Pippa eine Liebesgeschichte, eine malerische Liebe auf den ersten Blick, erlebt zu Beginn der 2000er-Jahre. Damals begleitete sie ihre Schwester, die sich in der Somme niederließ und ein Haus suchte. Pippa wohnte an der Küste, in Le Crotoy, wo sie begann, aus dem Fenster ihres Zimmers im Hôtel Les Tourelles zu malen. Ein Vierteljahrhundert später ist sie noch immer verliebt in das, was sie das „Nothingness“ nennt: Eine Auflösung, geboren aus der Begegnung von Meer und Horizont, von Wolken, die sich in den Morgennebeln verlieren, ein Fehlen, schöpferisch, weil es Stille hervorbringt – jene Stille, nach der die Künstlerin strebt.

 

Während diesem samarischen Aufenthalt entdeckte Pippa ein Gebäude: das ehemalige Bahnhofs-Café in Noyelles-sur-Mer. Fasziniert von diesem verlassenen Ort fasste sie bald den Entschluss, es zu erwerben. So kam es, dass sie und Peter kauften, was später das Relais de Baie werden sollte: Ein Teehaus und zugleich Kunstgalerie. In Großbritannien schrieb sich Pippa Anfang der 1990er-Jahren an die Kunstschule ein,  eine Erfahrung, die den Grundstein für ihre spätere Arbeit in Frankreich legte. Damals führte sie ihr eigenes Unternehmen für Wanddekoration und widmete sich zugleich Porträts und Stillleben. Die drei Jahre an der Kunstschule weckten in ihr die Liebe zur Malerei auf der Staffelei.

 

Noyelles wurde zum Wendepunkt. Pippa gab ihre Tätigkeit jenseits des Ärmelkanals auf, während ihr Mann – bereits erfahren im Bauwesen – das alte Gebäude sanierte und ihm neues Leben einhauchte. Gemeinsam stürzten sie sich in ein Abenteuer, das fast zwanzig Jahre dauern sollte. Peter übernahm die alltägliche Organisation und schenkte Pippa damit die Freiheit, nach ihrem eigenen Rhythmus zu malen. Um Teehaus und Malerei miteinander zu verbinden, gewöhnte sie sich daran, im Morgengrauen stets denselben Ort aufzusuchen, die Tourelles, ein fester Punkt in einer Welt aus Wasser und Licht, die sich unaufhörlich verändert, Sekunde um Sekunde, Tag für Tag.

 

Dann kam der Moment, in dem sie beschloss, sich ganz ihrer Kunst zu widmen – um, wie sie sagt, voranzukommen, jedes Mal ein Stück besser zu werden. Doch sie räumt ein, dass dies eine Illusion sei: Je weiter man fortschreite, desto größer werde die Gefahr, wieder zurückzufallen. Es sei vielmehr eine Entwicklung, eine Öffnung hin zu neuer Inspiration, zu neuen Blickwinkeln.


Sie hat zu ihren Werken keine sentimentale Bindung; sie kann sich leicht von ihnen trennen. Um der Versuchung zu widerstehen alle zu verkaufen, schenkt sie manche ihren Kindern. Denn für sie müssen Malen und Zeichnen eine Bestimmung, ein Ziel haben. Sie möchte ihre Arbeit mit anderen teilen. Vielleicht, sagt sie, sei sie deshalb eine Performerin, die zeigen müsse, was sie erschaffe.

 

Ich frage sie, ob sie das Bois de Cise kennt, seine Kreidefelsen und Belle-Époque-Villen, verstreut zwischen den Pinien, ein Ort, der sicher herrliche Motive böte. Ja, der Ort sei wunderschön, entgegnet sie, doch ihre Treue sei exklusiv, beständig – eine monogame Beziehung, die mit der Zeit tiefer und reicher werde: zwei Farben nur, in gedämpften Nuancen von Blau und Grau, die sie schon in ihren Stillleben liebte, und eine Landschaft – immer dieselbe und doch immer anders, ewig und unendlich.

 

Zur Zeit des Relais de Baie konnte Pippa Noyelles kaum verlassen; sie musste rechtzeitig zurückkehren, um das Café zu öffnen – eine Notwendigkeit, die allmählich zu einem Ritual wurde. Und während sie spricht, spürt man vielleicht auch eine leidenschaftliche Bindung an diesen kleinen Umkreis von wenigen Kilometern, dessen Unendlichkeit sie immer wieder neu erforscht.

Les Tourelles
Le Crotoy

Ein endloser Horizont

Noch bis zum 2. November 2025 ist Pippa mit ihrer Ausstellung Plein Air in der ehemaligen Schule von Ponthoile zu sehen. Gleichzeitig bereitet sie eine weitere Ausstellung in England, in Margate (vom 16. bis 26. Oktober 2025) vor.


Im kommenden Juni wird sie dann im Hotel Les Tourelles ausstellen.

Eine Rückkehr zu den Anfängen? Gewiss. Ein geschlossener Kreis? Wohl kaum – das wäre allzu endgültig. Vielmehr ein neuer Übergang, ein Aufbruch zu neuen Inspirationen.

Pippa Darbyshire
Kunstmalerin

Tel.: +33 670930600

Mail: pippa@pippadarbyshire.com

Web: pippadarbyshire.com

Instagram: pippadarbyshire
Blurb: Pippa Darbyshire (Kataloge)

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