top of page
IMG_6083.jpg

Les Terrasses des Bords de Somme

Die schwimmenden Terrassen der Somme

Die Ufer der Somme offenbaren ihren unbekannten Charme: eine wilde Natur, geprägt von industriellem und kulturellem Erbe. In Amiens heißt es: „An Bord!“ zu einer Fahrt auf dem Wasser, begleitet von Guillaume, einem leidenschaftlichen Fährmann und inspirierten Erzähler, der den Fluss mit seiner Liebe zur Geschichte, zur Natur und zur Poesie lebendig werden lässt.

Ein Ufo, ein Solarfloß und ein Geschichtenerzähler am Flussufer
Machen wir uns auf den Weg, um die Somme flussabwärts von Amiens zu entdecken. Treffpunkt: die Ingenieurschule UniLaSalle in Amiens. Anfang der 1990er-Jahre entworfen, erinnert das Gebäude mit seinen futuristischen Formen, ein Werk der Architekten Jean Dubus und Jean-Pierre Lott,  an eine fliegende Untertasse. Mein Guide ist etwas verspätet. Kein Problem, ich nutze die Zeit, um die Stimmung des Ortes auf mich wirken zu lassen. Heute Morgen zieht ein ständiger Strom von Fußgängern, Radfahrern und E-Scooterfahrer vorbei. Langsam kämpft sich die Sonne durch den milchigen Himmel. In der Ferne sitzen zwei Kormorane auf den Pfeilern eines Fischpasses und beobachten die Umgebung, vielleicht auf der Suche nach einem zappelnden Frühstück. Am Himmel kreischen Möwen. Ihre Rufe, die laut und zahlreich die Umgebung dominieren, erinnern daran, dass das Meer in Fluglinie nicht weit entfernt ist.

 

Das Warten hat ein Ende: Stolzer Fährmann, Guillaume Willemot steuert die Cyrus – eine Anspielung auf Cyrus Smith, die Hauptfigur aus Jules Vernes Roman Die geheimnisvolle Insel. Auch das andere Boot der Flotte trägt einen literarischen Namen: Le Bonaventure, benannt nach Bonadventure Pencroff, einem weiteren Protagonisten des Romans. Guillaume legt an und vertäut sein Floß, eines von zwei solarbetriebenen Elektrobooten, die die junge Flotte der Terrasses des Bords de Somme bilden. Leicht gebräunt, wodurch seine stahlblauen Augen noch durchdringender wirken, bittet „Guillaume von den Sommeufern“ – wie er sich gern nennt – um Entschuldigung für seine Verspätung. Mit wenigen Handgriffen stellt er Werbefahnen und einen Kundenstopper auf, die auf das von ihm und seinem Freund Grégory Sabatier gegründete Unternehmen hinweisen.

 

Vom Stadtleben zur Naturgewandheit
Guillaume stammt aus Douai und kommt im Jahr 2000 nach Amiens, wo er das Lycée Robert de Luzarches besucht. Später arbeitet er als Cutter, verlässt die Stadt eine Zeit lang, kehrt aber 2017 zurück. Zu diesem Zeitpunkt schlägt er einen völlig neuen Lebensweg ein und wendet sich der Natur zu. Er engagiert sich im Verein Esprit des marais und begegnet dort bald seinem späteren Mitstreiter bei den Terrasses des Bords de Somme: Grégory Sabatier, Versicherungsmakler im Bereich Baufinanzierung. Gemeinsam starten sie ihr nachhaltiges Projekt: Die Gestaltung von Gärten auf der Île Sainte-Aragonne – der Beginn eines Weges, getragen von der Liebe zur Natur und einem tiefen Sinn für menschliche Verbundenheit.

 

Die wilde Schwester der Hortillonnages erwacht
Im Jahr 2023 keimt die Idee auf, den Unterlauf der Somme südlich von Amiens bekannter zu machen – jene wilde Schwester der berühmten Hortillonnages, die der Mensch ab dem 12. Jahrhundert zähmte. Zwei Jahre sollte es dauern, bis dieser Gedanke zur Reife gelangte und sich in ein ausgereiftes Projekt verwandelte: Bootsfahrten auf der Somme, die sich ständig weiterentwickeln und weit über bloße geführte Touren hinausgehen. Denn auf den Floßbooten der beiden Freunde ist auch Platz für gesellige Aperitifs, kreative Workshops zu so unterschiedlichen Themen wie Reflexologie, Blumengestaltung, Aquarellmalerei oder die der Herstellung von Apfelsaft, und vieles mehr.

 

Auch wenn sie meist den unteren Kanalabschnitt der Somme befahren, durchqueren Guillaume und Grégory mit ihren Booten bisweilen auch die Caroline-Schleuse, deren zweihundertjähriges Bestehen am 30. und 31. August 2025 gefeiert wird. Etwa, wie kürzlich, um ein frisch vermähltes Paar samt Hochzeitsgesellschaft vom Parc Saint-Pierre bis zum Gasthaus Pré Porus an den Ufern der Somme, mitten in den Hortillonnages, zu führen. Guillaume und Grégory verstehen es, sich anzupassen – und immer wieder zu überraschen.

Vom der Stadt ins Grüne, ein Fluss mit tausend Gesichtern

Feierlich am 1. Mai 2025 eröffnet, sind die „Terrasses des Bords de Somme“, auf Deutsch die Terrassen an den Ufern der Somme, das Ergebnis einer fruchtbaren Zusammenarbeit zwischen der Stadt, dem Département, der Region und den Studierenden der Ingenieurschule UniLaSalle. Als schöne Geste haben Guillaume und Grégory ihren Bootsanleger direkt vor der Schule eingerichtet – mit freiem Blick auf die majestätische Kathedrale und den markanten Perret-Turm am Horizont.

Dort, nachdem Guillaume seine letzten Vorbereitungen abgeschlossen hat, bittet er mich an Bord. Er ist ein unermüdlicher Erzähler, und ein wandelndes Lexikon, wenn es um das historische, natürliche und kulturelle Erbe jener Stadt geht, die Jules Verne einst zu seiner Wahlheimat machte.

 

Wir legen ab und erreichen schon bald die Stelle, an der die alte Somme nach links fließt, während wir aber weiter auf dem Somme-Kanal dahingleiten, der 1827 unter König Karl X. vollendet und eröffnet wurde. Allmählich verblasst das urbane Umfeld, und wir gleiten beinahe lautlos über den Fluss, einzig begleitet vom leisen Plätschern des Wassers und dem Gesang der Vögel. Links und rechts säumen Pappelreihen das Ufer, stolz aufgerichtet wie Soldaten, die unserem Boot ehrerbietig Spalier stehen. Auf dem Treidelpfad kommt uns ein Paar entgegen. Guillaume grüßt sie herzlich – sie waren bereits mal auf den „Terrassen“ unterwegs.

 

Zur Rechten ziehen die Gemeinschaftsgärten von Saint-Maurice an uns vorbei, ein buntes Mosaik aus zahllosen Schrebergärten. Weiter hinten schieben sich, halb versteckt im grünen Dickicht, stattliche Häuser und der kleine Glockenturm des Friedhofs La Madeleine ins Blickfeld – ein stiller Gruß an Jules Verne, der hier unter einer Statue von Albert Roze ruht, bezeichnend betitelt: Auf dem Weg zur Unsterblichkeit und ewigen Jugend.

 

Links passieren wir die Insel Sainte-Aragonne, und ihr gegenüber, an der Mündung der Selle in die Somme, scheint die „Kathedrale“ auf einem sattgrünen Kissen zu ruhen: So wird die ehemalige Dampfmaschinenhalle mit ihrer imposanten Glasfassade genannt, einst das pulsierende Herz der Cosserat-Samtfabrik.

 

Ein Stück weiter legen Kinder in orangefarbenen Kanus an. Wir winken den jungen Kajakfahrern und ihrem Trainer zu, bevor wir an der Schleuse von Montières wenden. Guillaume erklärt mir, dass die Gäste, die möchten, hier aussteigen können, um den reizvollen Rückweg zu Fuß am Ufer entlang zurückzugehen. Wir jedoch nehmen wieder Kurs ostwärts.

IMG_6074
IMG_6104
IMG_6107
IMG_6097
IMG_6109
IMG_6112
IMG_6102

Ausklang einer heiteren und wohltuenden Flussfahrt

Wir gleiten unter der Eisenbahnbrücke von Montières-les-Amiens hindurch, deren genietete Struktur unweigerlich an die Werke Gustave Eiffels erinnert. In der Ferne ragen bereits die Kathedrale und der Perret-Turm auf, stille Wegweiser zurück in die Stadt, die wir für einen Moment ganz vergessen hatten.

 

Drei Angler winken uns aufgeregt zu: Ihr Kescher hat sich vom Stiel gelöst. Die schwarze Metallstange treibt wie ein Schilfrohr im Wasser, kurz davor, ganz zu versinken. Mit sicherer Hand steuert Guillaume das Boot heran, fischt das Teil geschickt aus dem Fluss und schleudert es im hohen Bogen ans Ufer zurück – fast wie ein Speer. Dankbarer Applaus vom Ufer; einer der Männer zeigt uns stolz seinen Fang – ein Barbe, wie er meint.

 

Wir setzen unsere Fahrt fort, bis zur Schleuse Caroline, und während wir langsam darauf zusteuern, erzählt mir Guillaume – Stadtmensch mit grünem Herz und großer Liebe zu „seinem“ Fluss – deren Geschichte. Zurück am Bootsanleger warten bereits die nächsten Passagiere auf den Bootsmann und Geschichtserzähler, von dem ich mich nun verabschiede – nicht ohne ihm herzlich für die zauberhafte Fahrt auf dem Wasser zu danken, die selbst die bootsführenden zu erheitern, zu entspannen und zu erfrischen vermag.

 

Victor Hugo – ein feinfühliger Beobachter der Uferlandschaften der Somme

Wie mir Guillaume erzählte, war es ein Brief Victor Hugos an seine Frau Adèle, der ihn besonders berührt hatte. Darin schildert der große Schriftsteller seine Dampferfahrt zwischen Amiens und Abbeville – ein poetisches Zeugnis, das seinen Weg in das Herz meines bootsfahrenden Guides gefunden hat, dessen Liebe zu den Ufern der Somme keine Grenzen kennt.

 

Arras, 13. August 1837 – Victor Hugo schreibt:

 

[…] Gestern Morgen bin ich mit dem Dampfschiff entlang der Ufer der Somme von Amiens nach Abbeville gefahren. In dem Moment, als ich an Bord stieg, ging die Sonne in einem dichten Nebel auf, aus dem sich die gewaltige Silhouette der Kathedrale abhob – ganz ohne Details, nur im Umriss sichtbar. Es war prachtvoll.
Es gibt kaum etwas Lieblicheres als die Ufer der Somme: nur Bäume, Wiesen, Weiden und reizvolle Dörfer. Meine Augen haben dort ein Bad im Grünen genommen. Nichts Großes, nichts Erhabenes, sondern eine Vielzahl kleiner flämischer Gemälde, die aneinander anschließen und einander ähneln: Das Wasser fließt ganz knapp unter die Ufer, zwischen Böschungen voller Schilf und Blumen, und überall kleine glückliche Weiden mit dichtem Gras und schönen, nachdenklich wirkenden Kühen, auf die ein warmer Sonnenstrahl fällt, zwischen den hohen Pappeln hindurch. Ab und zu hält man an einer Schleuse; und während diese kleine Arbeit verrichtet wird, ächzt die Dampfmaschine wie ein müdes Tier.

Les Terrasses des bords de Somme
Anleger am Quai de la Somme
Vor der Ingenieurschule UniLaSalle
14, Quai de la Somme
80000 Amiens

Telefon: +33 7 81 47 94 56
E-Mail: info@bords-de-somme.fr
Internet: www.bords-de-somme.fr
Facebook: Les Terrasses Des Bords De Somme

Instagram: terrasses_des_bords_de_somme

Eure Kommentare

bottom of page