
Bed and Breakfast L’Hirondelle – die Schwalbe
Sinnbild für Heim, Geborgenheit und Familie die Schwalbe ist auch der Name eines charmanten Bed and Breakfast. Es liegt halb verborgen hinter der Kirche des Dorfes Érondelle – einer stillen Gemeinde von rund 500 Seelen, jeweils etwa eine halbe Stunde von der Küste oder von Amiens entfernt, und nur wenige Kilometer von Abbeville. Gleich um die Ecke sprudelt die „source bleue“ (die blaue Quelle), ein zauberhafter, idyllischer Ort, wie geschaffen für ein Picknick.
Von der Dorfmetzgerei zum Bed and Breakfast L’Hirondelle
L’Hirondelle, einst die Dorfmetzgerei von Érondelle, gehörte früher Monique und Marcel Pailloux, den Großeltern von Fanny Pailloux, der heutigen Gastgeberin. In den sechziger Jahren betrieben Monique und Marcel zunächst das Dorfcafé, bevor sie beschlossen, ein neues Geschäft zu eröffnen, das zugleich ihr Familienzuhause werden sollte; ein Haus, das Fanny beinahe für immer verloren hätte: Nach dem Tod der Großeltern wurde es verkauft. Der Verlust dieses Ortes, der für sie untrennbar mit Kindheit und Familie verbunden war, traf sie tief. Während ihrer zwölf Jahre in Lille kehrte sie regelmäßig zurück, um mit ihrem kranken Großvater Zeit zu verbringen, und hier, in diesem Haus, verbrachte sie auch den Lockdown. Diese Zeit führte sie endgültig zurück in die Heimat. Ein Wink des Schicksals? Das Käuferpaar, das das Haus übernommen hatte, trennte sich nur zwei Monate nach dem Kauf – ohne je eingezogen zu sein. So begann die Geschichte des B&B L’Hirondelle. Zunächst war der geforderte Preis zu hoch, doch nach zwei Jahren des Wartens konnte Fanny das Haus endlich zu fairen Bedingungen zurückkaufen.
Ein Herzensprojekt, von der ganzen Familie getragen
Um den Hauskauf finanzieren zu können, entwickelte Fanny die Idee, drei Gästezimmer einzurichten, wo sie heute ihre Besucher mit viel Hingabe und persönlichem Engagement empfängt. Langfristig träumt sie davon, ihre geheimen Lieblingsrouten mit ihren Gästen bei geführten Wanderungen zu teilen. Doch es wird noch etwas dauern, denn im Augenblick arbeitet sie noch in Vollzeit. Ohne die tatkräftige Unterstützung ihrer Eltern Danièle und Frédéric, die überglücklich waren, das alte Familienhaus zurück in Familienbesitz zu wissen, ließe sich das Bed and Breakfast nicht parallel zu ihrem Beruf als Werbekauffrau führen. Mit leuchtenden Augen erzählt Fanny, dass ihr Projekt eine echte Familienangelegenheit sei.
Das Grundstück der Eltern liegt auf der anderen Seite des Gartens – mit einem kleinen Gemüsegarten dazwischen. Jeder übernimmt eine feste Rolle: Frédéric besorgt frisches Brot und Gebäck für die Gäste, und pflegt den Außenbereich; Danièle ist verantwortlich für die Wäschepflege; und Fanny erledigt den Rest. Ein Abendessen wird nur auf speziellem Wunsch angeboten, doch das Frühstück – üppig und liebevoll aus hausgemachten oder regionalen Produkten zusammengestellt – ist immer inbegriffen. Wenn Fanny doch einmal selbst zum Kochlöffel greift, zaubert sie etwa „Ficelles picardes“ oder Quiches – stets mit einem Hauch Picardie oder Zutaten frisch aus dem Garten. Samstags gibt’s auch mal Pizza von Jéjé, der an diesem Tag seinen Pizzawagen bei sich zuhause stehen lässt. Praktisch und lecker!
Ein behagliches Nest voller Erinnerungen und liebevoller Details
Dieses Haus strahlt Wärme aus: Mit Familienmöbeln und liebevoll ausgesuchten Flohmarktfunden eingerichtet, fühlt man sich hier sofort zuhause. Den Großteil der Renovierung haben Fanny, ihre Eltern und ihr kleiner Cousin selbst gestemmt – lediglich die Wasser- und Stromleitungen wurden von Fachleuten modernisiert. Fanny hat dabei an jedes noch so kleine Detail gedacht: Nichts wirkt anonym. Im Esszimmer wird man von einem farbenfrohen Metallvogel namens Paulette begrüßt, im Wohnzimmer wacht ein Stoffdackel mit Namen Victor, an den Wänden tummelt sich ein Schwarm von Porzellanschwalben, auf Moniques Nähtisch liegt das Gästebuch, Marcels Vintage-Sessel lädt zum Verweilen ein und ein Garderobenständer mit zwei Strohhüten weckt die Lust auf Mußestunden im Garten. Alles, vom Erbstück über liebgewonnene Fundstücke bis zu modernen Akzenten, verschmilzt zu einem harmonischen Ganzen und verwandelt das Haus in ein behagliches Nest, das weit mehr ist als eine einfache Unterkunft. Überall begegnen einem kleine Erinnerungen an Fannys Kindheit: das gerahmte Einwickelpapier der ehemaligen Metzgerei von Marcel Pailloux oder der große Marienkäfer aus rotem, schwarzem und goldenem Porzellan, der beinahe auf dem Sperrmüll gelandet wäre, hätte Fanny es sich im letzten Moment nicht anders überlegt. Zum Glück, denn Marienkäfer sind Glücksbringer. Genau wie die Schwalben.
Die Zimmer im Obergeschoss – voller Charme und Charakter
Über die originale Holztreppe, die den unverwechselbaren Geist der Sechzigerjahre bewahrt, gelangt man in die Gästezimmer des Obergeschosses. Das erste und zugleich größte Zimmer verfügt über ein Bett, das sich bei Bedarf in zwei Einzelbetten verwandeln lässt. Ideal für Paare oder schlicht für Freunde, die zusammen reisen und sich zwar ein Zimmer aber kein Bett teilen möchten. Das zweite Zimmer schmückt ein kunstvoll gearbeitetes Bett, ein Familienerbstück. Beide Zimmer sind mit eigenem Bad und Toilette ausgestattet. Das dritte Zimmer ist kleiner, verfügt aber trotzdem über eine eigene Dusche. Zwar befindet sich die Toilette auf der Etage, ist jedoch räumlich so klar getrennt von den übrigen Zimmern, dass so die Privatsphäre der Gäste perfekt gewahrt ist. Zwei der Zimmer blicken auf die Kirche, deren Schlüssel Fanny anvertraut sind. Am Ende meines Besuchs wird sie mir diese gerne zeigen – den Gästen, die es wünschen, bietet sie auch eine Besichtigung an. Das dritte Zimmer liegt oberhalb des Gartens, in den sie mich nun führt.
Ein intimer Garten – einladend und beruhigend zugleich
Im Garten werden wir von Violette begrüßt – einer fröhlichen, verschmusten Dackeldame. An sonnigen Tagen lässt es sich hier wunderbar verweilen: am Tisch beim Frühstück oder entspannt auf einem der gelben Liegestühle, den Blick gerichtet auf die angrenzende Weide, wo Kühe friedlich grasen. Über all dem wacht die Heilige Anna, eine farbenfrohe Heiligenfigur, die einst vor dem Sperrmüll gerettet nun dem Ort ihren stillen Segen gibt.
Links spähen die Hühner des Nachbarn neugierig über den Zaun, doch kein fremder Blick stört die geschützte Ruhe dieses kleinen Rückzugsortes, abseits der Welt. Auch an Radreisende hat Fanny gedacht: Der Véloroute (die Fahrradstraße) verläuft in der Nähe und in der offenen Garage können E-Bikes geladen oder repariert werden. Dort hängt auch eine große Papierkarte des Départements Somme – denn, wie Fanny lächelnd bemerkt: Eine Landkarte lädt mehr zum Reisen ein als ein iPhone: Sie eröffnet mit einem einzigen Blick die ganze Region.
Die Kirche von Érondelle, eine schlichte, authentische Nachbarin
Zum Abschluss unseres Rundgangs führt uns Fanny zur benachbarten Kirche, deren Glocken, wie sie schmunzelnd betont, zwischen 22 Uhr und 7 Uhr schweigen. Hier wurde sie selbst getauft. Es ist ein kleines, schlichtes Gotteshaus aus Naturziegeln, die einst eine strohgedeckte Kapelle ersetzte, in der man, wie der Abt Le Sueur schrieb, „Salve-Regina und Vespern des Magisters“ sang. Le Sueur wirkte 69 Jahre lang als Pfarrer in Érondelle und verstarb hier 1951.
Der mit Schiefer gedeckte, schlanke und unaufdringliche Kirchturm verleiht dem breiten, fest verwurzelten Kirchenschiff eine überraschende Leichtigkeit. Auch im Inneren herrscht dieselbe Bescheidenheit: schwarz-weiße Steinplatten, die von den Schritten unzähliger Gläubiger erzählen, eine schlichte Kanzel, einige wenige Statuen. Unter der himmelblauen Decke wirkt das Gotteshaus wie ein Schiff auf ruhiger See: Friedvoll, zeitlos und fern von aller Hektik. Ein stimmungsvoller Abschluss meines Besuchs bei Fanny.
Chambres d’hôtes L’Hirondelle
Fanny Pailloux
1 rue André Mauduit
80580 Érondelle
Tel.: +33 6 75 72 55 28
Instagram: lhirondelle80_580
Facebook: L’Hirondelle Chambres d’hôtes







































