
L’AÉRODROME DE LA BAIE DE SOMME
Nostalgischer Streifzug und genussvolle Pause zwischen Himmel und Erbe
Eine nostalgische Auszeit und genussvolle Landung zwischen Himmel und Heimat. Ein kulinarischer Zwischenstopp nahe Abbeville, am Rand einer grasbewachsenen Landebahn, wo sich Luftfahrtgeschichte, nostalgischer Charme und zeitgenössische Gastlichkeit begegnen. Hier wie einst, als es meine kindliche Fantasie entflammte, steht das alte Jagdflugzeug mit seiner Nase gen Himmel gereckt. Früher, unterwegs zum Strand, machten wir nie Halt. Viele Jahre später bin ich zurückgekehrt, um diesem Geist meiner Kindheit endlich zu begegnen.
Das Versprechen eines glücklichen Strandtages – Ein Flugzeug wie ein Leuchtturm
Als Kind verband ich zwei Dinge mit den Sommerferien: Die Fahrten, wenn wir im Dunkeln mit der Renault Dauphine zu den Großeltern in die Touraine starteten und die erste Halt im Morgengrauen in einem Café, wo wir Berge von Croissants mit Café au Lait – oder für uns Kinder eher Milch mit einem Tropfen Kaffee – frühstückten. Das war Teil eins der Ferien. Teil zwei fand an der Somme statt. Es war die Zeit der Strandvergnügen, zu denen uns die alte Nationalstraße 1 – einst die einzige Verbindung zwischen Paris und Calais und der einzige Weg zum Meer – an die Küste brachte. Diese Fahrten waren lang, weil uns damals über eineinhalb Autostunden uns vom Sandburgenbauen und dem Spielen in den Gezeitentümpeln trennten. Aber sie führten uns am Flugplatz von Abbeville vorbei, mit seinen im amerikanischen Stil aneinandergereihten Motelzimmern und vor allem mit seinem Flieger, einem Mystère IV, das für immer am Straßenrand gelandet war und meine Fantasie lange Zeit beflügelte; ein nie versiegendes Vergnügen.
Julie, Paulo und ihr Team – Kapitäne eines neuen Aufbruchs
Ende Juli hörte ich, dass man am, dass man im Aérodrome de la Baie de Somme Muscheln essen könne. Anfang August war ich dort. Die Terrasse neben der Graspiste war voll besetzt. Also setzte man mich in den großen Saal mit anthrazitfarbenem Fliesenboden, gegenüber einem Porträt von Saint-Exupéry. Abgebildet vor seinem Latécoère, steht er in Pilotkluft, mit gegürtetem Fliegermantel, und im Wind flatterndem weißem Schal, und blickt in die Ferne.
Im Kontrast zu dem in Rottönen gehaltenen Barbereich mit seinen granatroten Fliesen, den Regalen voller Bücher, Flugzeugmodelle, Bordinstrumente und Fotos, dem tiefen Sofa, über dem ein blau-grüner Doppeldecker bereit zur Landung schwebt, und dem Tresen aus weißem Stein, Metall und Holz vermischt der große Saal andere Stile: Gelbe Tische aus den 1960er Jahren, eine antike Anrichte, ein riesiges Weinregal als Raumteiler, ein Kamin – der im Winter genutzt wird, da der Saal mit seinen großen Fenstern nur schwer zu heizen ist und außerdem für viel Gemütlichkeit sorgt – und Bilder mit geometrischen Formen in fröhlichen Farben, die Paul-Henri, Paulo, Maillard, der Besitzer des Aérodrome de la Baie de Somme (Flugplatz an der Somme) gemalt hat. Das Thema Luftfahrt und die Thonet-Bistrotbestuhlung bilden den roten Faden zwischen diesen beiden Räumen.
Anfang September komme ich noch einmal, um Paulo zu interviewen. Als ich ankomme, steht er auf einer Leiter und kärchert die Tragfläche des Flugzeugs. Vor vier Jahren hat er das Motel übernommen und seit vier Jahren wollte er es in Angriff nehmen. Aber so ist es nun einmal: Gerade am Anfang ist ein junges Unternehmen besonders fordernd. Er lädt mich ein, ihm ins Restaurant zu folgen. Julie, seine Frau, sitzt an einem Tisch vor einem Computer. Paulo und ich nehmen vor einem Café Platz. Als die zwei kurz nach der ersten Corona-Welle eröffneten, ahnten sie nicht, dass eine zweite kurz darauffolgen würde. Ein schwacher Trost: Der Motelbetrieb durfte zumindest weiterlaufen. Nach dieser mageren Zeit kamen die Touristen en Masse wieder und die Terrassenfläche musste sogar verdreifacht werden.
Muscheln und Maschinen – ein Ort im Takt der Jahreszeiten
Hier hängt der Betrieb vom Wetter, den ankommenden Sportflugzeugen, Oldtimertreffen – und den Jahreszeiten ab. Der Flugplatz hat aber auch seine Stammkundschaft, die regelmäßig zum Mittagessen hierherkommt. Viele Gäste kennen sich untereinander, was eine familiäre Atmosphäre schafft. Seit der Zoll vor etwa zehn Jahren abgeschafft wurde, lassen sich britische Piloten in Calais oder Le Touquet abfertigen und kommen seltener nach Abbeville. Doch viele ihrer Landsleute, die mit dem Auto in den Süden Frankreichs fahren, machen hier einen Zwischenstopp – einige sind sogar zu Stammgästen geworden.
Die Sommergäste sind meistens Touristen, während das Motel in der Nebensaison vor allem Außendienstler beherbergt, für die es ein Halbpensionsangebot gibt. Die Speisekarte des Restaurants ist erfreulich übersichtlich, ein Garant für die Frische der – vorzugsweise lokalen – Produkte, die der Koch mit Leidenschaft verarbeitet. Auch die Miesmuscheln – von der Küste – sind ein saisonales Produkt.
Zimmer mit Blick auf Himmel und Horizont
Die Zeit rennt und das Mittagessen für die Mitarbeiter rückt näher. Ich mache noch schnell ein paar Fotos, bevor Paulo mir eines der Zimmer zeigt. Der Motelteil des in den 1960er Jahren errichteten Gebäudes erstreckt sich entlang eines Korridors mit sechzehn nummerierten Zimmern. Paulo öffnet die Nummer neun. Auch wenn alle Zimmer – ausnahmslos mit Blick auf die Graslandepiste – baugleich sind, unterscheiden sich Farben und Wandbilder. Die neun ist anthrazit. Sie ist funktional, aber gemütlich, mit allen Annehmlichkeiten ausgestattet, einem Schreibtisch im Industrial-Stil und einem luftfahrtbezogenen Akzent in Form eines Fotos vom Propellerflugzeug-Bug.
Nach dem Gespräch lasse ich Paulo und Julie zu ihrem Personalmittagessen zurückkehren und wünsche einen guten Appetit in die Runde. Um Muscheln zu essen, bleiben mir noch anderthalb Monate bis zum Saisonende – ich werde also bestimmt bald wiederkommen.
Ein wenig Geschichte
Der Flugplatz von Abbeville, der heute der allgemeinen und der Sportluftfahrt gewidmet ist, wurde 1922, zunächst etwas weiter entfernt in Drucat als Notlandeplatz für die erste kommerzielle Fluglinie Paris-London eingerichtet. 1930 gründete Michel Doré, ein ehemaliger Rennfahrer, den Aéro-club de la Somme, ein Gelände, das 1936 aus strategischen Gründen vergrößert wurde.
L’Aérodrome de la Baie de Somme
1 Rue Michel Doré
Aérodrome d’Abbeville
80132 Buigny-Saint-Maclou
Tel.: +33 3 22 19 17 89
Mobil: +33 6 49 60 20 78
E-Mail: hotelrestaurant@laerodrome.com
Internet: https://www.laerodrome.com/
Instagram: l_aerodrome
Öffnungszeiten
Hotel täglich geöffnet
Bar-Restaurant
Montag: geschlossen
Dienstag: 11.30-14.30 Uhr
Mittwoch: 11.30-14.30 Uhr
Donnerstag: 11.30-14.30 Uhr
Freitag: 11.30-14.30 Uhr, 19.00-23.30 Uhr
Samstag: 11.30-14.30 Uhr, 19.00-23.30 Uhr
Sonntag: 11.30-14.30 Uhr

















