




Das Schloss von Picquigny – ein Epos durch die Jahrhunderte
Am Scheideweg der Geschichte: Das Schloss von Picquigny, stummer Zeuge des Endes des Hundertjährigen Krieges und Schauplatz bedeutsamer Begegnungen. Entdeckt, wie dieser historische Ort, der die Jahrhunderte überdauert hat, heute noch fasziniert und Enthusiasten für seinen Erhalt und Wiederbelebung begeistert.
Wer erinnert sich daran – außer Historikern und Geschichtsenthusiasten –, dass der Hundertjährige Krieg am 29. August 1475 am Fuße einer Festung endete, die hoch über einem kleinen Dorf in der Picardie, Picquigny, thront? An jenem Tag, vor etwa 550 Jahren, schlossen der französische König Ludwig XI. und der englische König Eduard IV., begleitet von jeweils 60.000 und 30.000 Männern, den Vertrag von Picquigny auf der Île de la Trêve (der Insel des Waffenstillstands), genauer gesagt auf einer eigens dafür errichteten Brücke. Heute ragen noch die Überreste der Burg empor, die Zeuge dieses Ereignisses war. Unter François I. wurde sie zwischen 1539 und 1583 weiter ausgebaut und erhielt einen zunehmend wohnlichen Charakter. Die Vidames von Amiens, die Herren von Picquigny, die dort residierten, zogen sich schließlich im 18. Jahrhundert zurück. Verlassen diente die Burg ab 1795 den Einwohnern als Steinbruch. 1818 lag sie in Ruinen. Die Baronie wurde zum Verkauf angeboten und vom späteren König Karl X. zurückgekauft. Später, im Jahr 1912, wurde das Gelände der Société des Antiquaires de Picardie (Gesellschaft der Antiquaren der Picardie) vermacht, die sich um die Erhaltung kümmerte. Doch aus Geldmangel wurde die Burg 2013 an Michel Morange verkauft, der sich seither um ihre Rettung und Restaurierung bemüht.

Eine illustre Gesellschaft
Das Schloss hat viele illustre Persönlichkeiten gesehen: Heinrich IV. verweilte dort 1597, bevor er zur Belagerung von Amiens aufbrach, das von den Spaniern eingenommen worden war. Richelieu verbrachte dort 1636 eine Nacht auf dem Weg nach Abbeville, und Madame de Sévigné* blieb im April 1689 vier Tage lang und erwähnte es in einem ihrer Briefe an ihre Tochter. Der Sévigné-Pavillon, der zu ihren Ehren so benannt wurde, wird derzeit vom Wächter bewohnt, der das Gelände bewacht, das kürzlich Opfer von Vandalismus und Diebstählen wurde.
Einsatz für den Erhalt des Geländes
Als ich zu meinem Treffen mit Anaïs Berrier, der Archäologin, die den Verein des Schlosses Picquigny leitet, eintreffe, ist sie damit beschäftigt, eine Freiwillige zu begrüßen, die ihr Enkel ermutigt hat, beim Freischneiden des Exerzierplatzes zu helfen, wo bereits andere Helfer fleißig arbeiten. Ich nutze die Gelegenheit, mich umzusehen. Unterhalb erhebt sich die Stiftskirche, die auf einer Seite von Gerüstplanen umhüllt ist. Ich werfe einen Blick in einen Brunnen, dessen Dunkelheit von Hirschzungenfarnen durchbrochen wird.
Ein engagierter Eigentümer, ein Verein und zahlreiche Projekte
Anaïs erscheint lächelnd wieder. Sie erklärt mir, dass der Verein, der im April 2024 gegründet wurde und etwa fünfzehn Mitglieder zählt, die Aufgabe hat, das Burggelände aufzuwerten und einem breiten Publikum zugänglich zu machen. Dazu gehört unter anderem die Sicherung der Überreste, insbesondere der Keller und des Verlieses, die Besucher empfangen sollen. Die Burgküche ist bereits zugänglich – dort wurde im Herbst eine Vorführung von Harry Potter mit großem Erfolg organisiert. Die junge Frau, die seit 2021 Ausgrabungen auf dem Gelände leitet, konnte dabei unter anderem unterirdische Gänge freilegen, die als Unterschlupf für Fledermäuse dienen. Diese wurden 2024 in Zusammenarbeit mit Somme Nature Thema eines – ein Projekt, das 2025 fortgesetzt wird. Der Eigentümer hat außerdem Arbeiten in Auftrag gegeben, um ein großes hölzernes Vordach zu errichten, das an den Pavillon, die Fassade und die Küche anschließen wird. Es soll Besuchern bei schlechtem Wetter Schutz bieten und gleichzeitig die unterirdischen Gänge vor Wassereinbruch schützen. Außerdem wird es Besuchern den Zugang zur oberen Ebene der Küche ermöglichen, von der aus man einen atemberaubenden Blick über das Tal hat. An Projekten mangelt es jedenfalls nicht.
Gedenken an den Vertrag von Picquigny
Das nächste große Ereignis wird zweifellos die Gedenkfeier zur Unterzeichnung des Vertrags von Picquigny sein: Am 29. August wird in Picquigny ein großes Fest stattfinden, unter anderem auf dem Gelände der Stiftskirche und der Burg. Ein Kostümumzug sowie ein mittelalterlicher Ball und ein Bankett, aber auch eine Lichtshow an der Burgfassade stehen an diesem Tag auf dem Programm.
Eine lebendige Verbindung zur Vergangenheit
Anaïs und ich begeben uns zur Exerzierplatz und gesellen uns zu den Vereinsmitgliedern. Die Rodungsarbeiten gehen gut voran und die Stimmung ist ausgelassen. Der Eigentümer, der den Verein tatkräftig unterstützt, möchte später Schafe auf dem Gelände ansiedeln – eine ebenso ökologische wie charmante Art, die Burg zu pflegen und eine Freude für zukünftige Besucher, ob jung oder alt. Mein Besuch geht nun zu Ende, aber ich werde am 29. August zur Gedenkfeier des Friedens von Picquigny wiederkommen.
* Madame de Sévigné (1626-1696) war eine französische Adelige und Schriftstellerin, bekannt für ihre Briefe, die als Meisterwerke der französischen Literatur gelten. Ihre Korrespondenz, insbesondere mit ihrer Tochter, bietet ein lebendiges Bild des höfischen Lebens und der Gesellschaft des 17. Jahrhunderts. Ihre Briefe zeichnen sich durch ihre Eleganz, ihren Witz und ihre scharfsinnigen Beobachtungen aus. Madame de Sévigné wird oft als eine der größten Briefschreiberinnen der französischen Literaturgeschichte angesehen. Ihr Werk hat Generationen von Lesern inspiriert und bleibt ein wichtiger Teil des literarischen Erbes Frankreichs.
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